Therapie bei Angst

Im Folgenden gebe ich Ihnen einen Überblick zu den therapeutischen Möglichkeiten der Angstbewältigung. Dargestellt sind verschiedene Module, die bei Ängsten eine Hilfe darstellen können und auf deren Grundlage Ängste psychologisch in der Therapie bearbeitet werden.

Psychoedukation und kognitive Vorbereitung

Psychoedukation meint ein Erklären von Symptomen der Angst. Der Therapeut erläutert dem Patienten, wie Angststörungen entstehen und erstellt mit ihm gemeinsam ein individuelles Vulnerabilitäts-Stress-Modell. Vulnerabilität steht für eine Verletzlichkeit, die jeder Mensch mitbringt und die durch genetische Einflüsse (z.B. vererbte Neigung sehr schreckhaft zu sein), aber auch Erfahrungen in der Kindheit und Jugend geprägt wird (z.B. Mobbing, frühe Verlusterfahrungen). Diese allein lösen eine Angststörungen noch nicht aus, machen es aber wahrscheinlicher, dass jemand aufgrund aktueller Belastungen (z.B. Überforderung im Beruf, Konflikte), also ein Erleben von „Stress“, übermäßige Ängste entwickelt (Miller, Chen & Zhou, 2007).

Solch ein Vulnerabilitäts-Stress-Modell zu erstellen, frühere Verletzungen mit dem Therapeuten zu identifizieren und daher die eigenen Ängste besser zu verstehen, ist eine hilfreiche Basis für die weitere therapeutische Arbeit. Ebenso identifiziert der Therapeut mit Ihnen aufrechterhaltende Bedingungen. Was trägt also dazu bei, dass die Ängste weiterhin bestehen und Sie diese bisher nicht überwinden konnten? Der sogenannte Teufelskreislauf der Angst wird besprochen. Dieser erklärt, wie Gedanken, Gefühle und Handlungen zusammenhängen und ungewollt die Angst steigern, aber auch bewusst genutzt werden können, um Ängste zu reduzieren (Kircher, 2012).

Selbstbeobachtung und Analyse des eigenen Verhaltens

Typische Situationen, in denen Sie immer wieder Angst erleben, werden identifiziert. Ebenso werden
dysfunktionale Gedanken herausgearbeitet. Dies sind Grundannahmen oder Gedanken, die Ängste noch weiter verstärken (z.B. „Wenn ich mich peinlich verhalte, wird man mich auslachen.“ oder „Ich darf niemanden verärgern.“). Zudem spielen Körperreaktionen eine wesentliche Rolle. Bei Angst reagiert der Körper mit einer erhöhten Alarmbereitschaft; Puls und Blutdruck steigen. Wenn Sie sich allerdings zu sehr auf diese körperlichen Veränderungen konzentrieren, dann steigern Sie sich ungewollt weiter in die Angst hinein (Margraf, 2013).

Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten identifizieren

Angst ist ein sehr bedrohliches Erlebnis. Deswegen versuchen Betroffene, Situationen zu vermeiden, in denen sie schon einmal eine intensive Angst erlebt haben (z.B. nicht mehr mit dem Fahrstuhl fahren). Andere entwickeln ein sogenanntes Sicherheitsverhalten. Das sind Strategien, die im Notall zum Einsatz kommen sollen und dadurch ein Gefühl von Sicherheit geben (z.B. Immer ein Mobiltelefon dabei haben, um bei Angst jemanden anrufen zu können). Diese Vermeidungs- und Sicherheitsstrategien helfen aber nur kurzfristig gegen die Angst. Langfristig halten sie die Symptomatik aufrecht, da Betroffene nicht lernen, ohne diese Strategien zu leben und sich daher immer unsicher fühlen (z.B. „Hilflosigkeit“ wenn Mobiltelefon vergessen wurde oder das Gespräch nicht angenommen wird). Um solche Verhaltensweisen aufzudecken, helfen Angstprotokolle und Tagebücher, die Sie gemeinsam mit dem Therapeuten auswerten (Neudeck, 2015).

Expositionsübungen

Exposition meint ein Konfrontieren mit dem, was Angst macht. Das kann bedeuten, dass Patienten, die Angst vor dem Fahren mit einem Fahrstuhl haben, genau dieser Situation bewusst und willentlich ausgesetzt werden oder dass Patienten, die soziale Ängste aufweisen (Angst sich zu blamieren, extreme Schüchternheit) bewusst auf andere zugehen sollen. Die Konfrontation kann interozeptiv erfolgen (sich mit gefürchteten Körpersymptomen konfrontieren, etwa bei Angst vor Krankheiten), in vivo (angstauslösende Situationen tatsächlich aufsuchen) oder in sensu (sich eine angstauslösende Situation vorstellen). Dabei wird zunächst eine Hierarchie möglicher Situationen erstellt, sodass es leichter fällt, sich Stück für Stück etwas mehr zu trauen und positive Erlebnisse der Bewältigung zu schaffen (Margraf, 2013).

Sorgen bewältigen

Sorgen sind Gedanken, die sich um mögliche zukünftige Situationen kreisen. Betroffene stellen sich vor, dass etwas Unangenehmes oder Schreckliches passieren könnte und kreisen mit den Gedanken immer wieder um dieses Szenario. Die Sorgen gehen mit innerer Unruhe und Angst einher. Um diese zu bewältigen, können verschiedene Strategien genutzt werden:

  • Sorgenzeiten festlegen
  • Sorgenzeit bündeln
  • Konfrontation mit Sorgen
  • Sorgen bis zu ihrem schlimmsten Ausgang zu Ende denken

Zusätzlich kann ein Problemlösetraining Hilfestellungen zum systematischen Lösen von Problemen und Generieren von Lösungsansätzen bieten (Schmidt-Traub, 2008).

kognitive Umstrukturierung

Wenn es dysfunktionaler Denkmuster gibt (irrationale Überzeugungen, ein überhöhtes Verantwortungsgefühl, Katastrophendenken) dann können diese hinterfragt werden. Statt ängstlich-vermeidender Grundüberzeugungen sollen alternative, selbstwirksamkeitssteigernde Überzeugungen gelernt werden (z.B. „Ich kann die Angst aushalten“). Hier kann es auch darum gehen, innere Reaktionen anzunehmen und ängstliche Gedanken mit Abstand wahrzunehmen, sodass diese nicht zwangsläufig zu automatisierten Handlungen führen. Patienten sollen lernen gedanklich im Hier und Jetzt zu sein und gedanklich nicht ständig in die Vergangenheit oder Zukunft zu wechseln (Wengenroth, 2012).

emotionsbasiertes Arbeiten

Beim emotionsbasierten Arbeiten geht es darum, negative Emotionen zu verändern. Das kann durch Übungen zur inneren Achtsamkeit und Möglichkeiten der Stressbewältigung, Genusstraining, Zeitmanagement und Entspannungstraining erfolgen (Kaluza, 2015). Auch das soziale Kompetenztraining kann angewandt werden, um im Umgang mit anderen selbstsicherer aufzutreten und sich in sozialen Situationen sicherer zu fühlen (Hinsch & Pfingsten, 2015).

Quellen

Hinsch, R. & Pfingsten, U. (2015). Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK). Grundlagen, Durchführung, Anwendungsbeispiele. 6. völlig neu bearbeitete Auflage. Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial. Weinheim: PVU.

Kaluza, G. (2015). Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. Berlin: Springer.

Kircher, T. (2012). Kompendium der Psychotherapie. Berlin: Springer.

Margraf, J. (2013). Panik: Angstanfälle und Ihre Behandlung. Berlin: Springer.

Miller, G. E., Chen, E. & Zhou, E. S. (2007). If it goes up, must it come down? Chronic stress and the hypothalamic-pituitary-adrenocortical axis in humans. Psychological Bulletin. 133(1), 25-45.

Neudeck, P. (2015). Expositionsverfahren. Techniken der Verhaltenstherapie. Weinheim: Beltz.

Schmidt-Traub, S. (2008). Generalisierte Angststörung: Ein Ratgeber für übermäßig besorgte und ängstliche Menschen. Göttingen: Hogrefe-Verlag.

Wengenroth, M. (2012). Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT). Weinheim Basel: Beltz.